Offensichtlich habe ich dieses Jahr viel gelesen. Und dazu noch viel Musik gehört. Musik in den MPC geworfen, andere Musik rausbekommen. Fahrrad gefahren. Mir das Longboarden angeeignet. Wenn man dann die Zeit für Job mit hinzurechnet, blieb einfach kaum Zeit für andere Dinge, Dinge die ich sonst auch gerne mache. Wie Netflix schauen. Oder Videospiele. Und eigentlich mag ich Videospiele. Sogar ziemlich gerne.

Und was ich auch mag sind interessante Narrativkonstrukte - wie z.B. Zeitreisen. Und gerade wurden zwei Spiele veröffentlicht die sich genau darum drehen, genauer - mit einer Zeitschleife, ähnlich Groundhog Day. Oder thematisch besser, qualitativ aber deutlich schlechter: Boss Level.

Zeitschleifen sind jetzt kein neues Konzept. Um ganz abstrakt zu beginnen - selbst Super Mario Land, wenn wir es als Prototyp für ein populäres Videospiel abseits der Arcades sehen, handelte in einer Zeitschleife. Wait what? Bist du betrunken?
Das Dilemma eine Videospiel Antagonisten ist, dass egal wie er sich anstrengt, der Protagonist mit unendlichen Möglichkeiten auf kurz oder lang gewinnen wird. Ein Dark Souls Boss kann noch so schwer sein, mit dem richtigen Commitment des Spielers wird er unausweichlich irgendwann das zeitlichen segnen. Nennen wir es den Dormammus Effekt. Und das beschreibt eigentlich jedes Action-fokussierte Spiel - seit dem Zeitpunkt an dem Videospiele aus der Arkaden befreit worden sind und Helden unendliche "Leben" haben. Gegner handeln immer gleich, und haben nicht das Vorwissen was wir haben. [1]

Was bisher aber kaum gemacht wurde: Dem Protagonisten selber das erlangte Wissen der vorherigen Trial & Error Versuche geben und ihn und nicht den Spieler darauf reagieren und dementsprechend anders handeln zu lassen. Seltsam, da Filme wie Source Code oder Edge of Tomorrow[2] die sich stark von Videospielen inspiriert haben lassen, genau dieses Thema umsetzen (entweder als Thriller oder als Action-Geschnetzel) und zeigen dass es eine Menge Potential hat ... selbst wenn Tom Cruise mitspielt.

Wir sind immer noch in der Einleitung? Ich dachte es geht hier um Videospiele, ey!!!!!1111 Ja, ok. Jetzt gehts los.

12 Minutes

12 Minutes ist ein Adventure-Thriller von Nomada Studio/Annapurna Interactive. Aus der Topdown Perspektive erleben wir, dass ein Abendessen mit der Ehefrau zum Alptraum wird als ein Polizist auftaucht und der Abend wenige Minuten später mit Fingern um den eigenen Hals endet. Und dann beginnt der Moment erneut, genau 12 Minuten vorher mit dem Betreten der Wohnung und einem verwirrten Protagonisten.

Schaut man sich die Story alleine und ihre Struktur an, dann ist 12 Minutes großartig und schafft es einen am Ball zu halten. Es gibt kleine Twists und wir erfahren Stück für Stück weitere Details der Hintergrundgeschichte, ohne Rückblenden - alles in Dialogform. Zwar das Gegenteil von "Show, don't tell", klappt in diesem Kontext aber wunderbar. Und die Dialoge sind von James McAvoy, Daisy Ridley und Willem Dafoe großartig vertont. Würde man das Spiel einfach in Videoform (mit fehlerfreien Spielstil) anschauen, erlebt man ein kleines Theaterstück dass von vorn bis hinten unterhält. [3]. Zumindest mich. Und spielerisch?

12 Minutes

Das Spiel hat eine eingeschränkte Szenerie von 3 Räumen: Wohnzimmerküche, Badezimmer, Schlafzimmer. Und den wohlmöglich wichtigsten Raum: Der Wandschrank. Das Paar scheint noch nicht lange in der Wohnung zu leben, da es kaum Dinge zum interagieren gibt. Die Gegenstände die aber da sind, kann man untersuchen, kombinieren und ggf seiner Frau oder dem Antagonisten zeigen [4]. Ständig mit einem Zeitlimit von 12 Minuten.

Und das ist die Crux - 12 Minuten sind nicht viel Zeit, vorallem wenn man es in die Abschnitte "Zeit mit Ehefrau" / "Interaktion mit Killer" aufteilen muss. Und hat ein Versuch in der zweiten Sektion nicht geklappt, muss man alle Dialoge und Interaktionen so schnell wie möglich wiederholen und dann warten bis es an der Tür klingelt. Einige Dialoge lassen sich dann skippen, einige nicht, irgendwann steht man einfach im virtuellen Wohnzimmer und browst im echten Wohnzimmer im auf Reddit bis es virtuell an der Tür klingelt.

12 Minutes

Sollte man dann aber etwas rausgefunden haben, bietet sich dann z.B. an einer anderen Stelle dann eine neue Dialogmöglichkeit an, allerdings ist nicht immer klar wo wir diese einsetzen können. Der Protagonist hat etwas herausgefunden, wir, der Spieler, allerdings nicht und setzt einen wieder in einen Trial and Error Loop.

Das Spiel ist, je wie man sich anstellt, in 3-4 Stunden durch - wenn man direkt alles richtig macht ca. 45 Minuten. Länger hätte es auch nicht sein dürfen, dafür bietet das Szenario und Umgebung zu wenig Abwechslung und bleibt eindeutig hinter seinem Potential, was sehr schade ist. 12 Minutes beschneidet sich durch seine eingeschränkten Interaktionsmöglichkeiten und viel zu kleinen Map und einem Zeitlimit, dass eigentlich garnicht notwendig ist, leider selbst. Dazu kommen einige unklare Situationen und zuviel Trial and Error, welches Experimente und Fehler mit einer "Zeitstrafe" kontert .

Ich habe das Spiel im Rahmen des Microsoft Gamepass for PC gespielt. Und dafür war es gut. Hätte ich die 20 Euro auf Steam bezahlt, dann hätte ich mich aber wohl doch etwas geärgert.

Deathloop

Der Spieler wird ins kalte Wasser geschmissen und weiss am Anfang genauso viel wie der Protagonist. Amnesie. So weit, so abgedroschen. Man wacht am Strand auf, ist verwirrt und der ein Tutorialtext in der Landschaft sagt uns, dem Spieler, was wir zu tun haben - und der Protagonist sieht diesen Text auch. Wir laufen noch etwas durch die Gegend und erfahren dass wir in einer Zeitschleife stecken, und zwar schon seit sehr langer Zeit.

Die Zeitschleife von Deathloop wird von einer Gruppe Personen am Leben erhalten. Sind nicht alle Personen tot, bevor der nächste Loop beginnt, fängt alles wieder von vorne an. Wir müssen also einen Weg finden alle Personen am effizientesten um die Ecke zu bringen.

Deathloop wurde von Arkane entwickelt und ist bereits das vierte Spiel in Folge was ich ohne zu Zögern weiter empfehlen würde. Das liegt u.a. daran dass Arkane nicht nur sehr viele Liebe in Leveldetail und Artwork (Ich liebe den viktorianischen Comiclook und Artstyle der Dishonored Spiele) stecken, sondern auch dass gleichzeitig viele Spielstile möglich sind, man schnell zwischen diesen wechseln kann und ein so hoch dynamisches Gameplay entsteht. Dazu ist die Art des Storytelling - Audiologs, Gespräche, Leveldesign - stark an Spielen wie Systemshock, Deus Ex oder Bioshock angelehnt. Arkanes letztes Spiel Prey kann man sogar als spirtuellen Nachfolger dieser Spiele bezeichnen. [5].

Deathloop - © Arcane Studios

Das erste was dem Spieler auffällt ist der Look. Das Spiel sagt nicht in welchem Jahr es spielt, und ob es überhaupt auf unserer Version der Erde, oder einer Fantasywelt mit ähnlicher Geschichte - wie bspw. in Dishonored - spielt. Aber unabhängig davon ist in dieser Welt gerade 70s und die Optik eindeutig an Exploitation, genauer sogar Blaxploitation inspiriert. Shaft und Foxy Brown lassen grüßen.

Das eigentliche Gameplay: Keine 12 Minuten, sondern ein ganzer Tag. Und im Gegensatz zu 12 Minutes ist die Zeitspanne in Deathloop eher abstrakt. Es läuft kein Timer oder wird sonst ein Zeitdruck aufgebaut. Vielmehr ist der Tag in vier Zeitabschnitte unterteilt - Morgens, Mittags, Nachmittags, Abends. Dazu gibt es insgesamt 4 Karten (und eine Tutorialkarte) die wir zu den verschiedenen Tageszeiten besuchen können und sich zu jeder Tageszeit unterscheiden.

Und hier wird es clever: Jede Map hat eine kleine eigene Geschichte. Sehen wir auf der Stadtkarte am morgen noch Unmengen an Kisten, werden diese im Laufe des Tages ausgepackt und am Abend steht eine Bühne dort. Gleichzeitig werden dadurch neue Möglichkeiten der Fortbewegung geschaffen oder neue Türen geöffnet. Und dann gibt es noch Questlines die uns zwingen eine alle Maps zu verschiedenen Uhrzeiten zu besuchen um an Informationen zu kommen. Oder Dinge am Morgen zu ändern, damit bei einem Besuch am Nachmittag etwas anders ist [6]
So kommt es dass wir immer und immer wieder dieselben Karten spielen, nur mit wechselnden Intentionen. Klingt jetzt erstmal nach einem Grindfest, macht aber durchaus Sinn. Das dynamische Gameplay mit knallharter Shooter und Stealthmechanik ohne Zwang macht einfach Spass. Waffen fühlen sich richtig gut an (obwohl ich nichts gegen etwas mehr Auswahl gehabt hätte) und die Mana-Fähigkeiten ergänzen das Gameplay. Ich hab größtenteils auf "Verkettung" und "Teleportation" gesetzt, und andere Fähigkeiten teils garnicht benutzt. Man könnte also sagen dass die Fähigkeiten nicht ganz ausbalanciert waren, aber ich kann hier nur von meinen Spielziel sprechen [7]

Deathloop - © Arcane Studiosg

Und hier kommt die gleiche Problematik wie bei 12 Minutes ins Spiel. Das einzige was über die Zeitschleife mitgenommen werden kann ist Wissen. 12 Minutes lässt das Wissen beim Spieler, was dazu führt dass dieser immer wieder die gleichen Dialoge abspielt. Deathloop teilt die Verantwortung und lässt den Protagonisten selber Verbindungen herstellen. Wir sehen wie Ereignisse verknüpft werden und bekommen Schlussfolgerungen. Der Protagonist merkt sich gefundene Codes eigenständig und ich hab z.B. nur ein oder zwei mal selber einen Code in ein Türschloss eingegeben. Das sind die Quality of Life Dinge die ich mir auch in 12 Minutes gewünscht hätte.
Leider mit dem Nachteil dass die Geschichte dadurch linearer wird. Die Reihenfolge in der Infos gefunden werden können ist beliebig, aber alles läuft auf einen finalen Plan hinaus. Hier wären ein paar alternative Ansätze schön gewesen

Und wo ich schon am meckern bin - aus irgendeinem Grund bleiben nach dem Abspann noch vielzuviele Fragen offen. Ich denke ich habe alles gelesen und gehört was das Spiel zu bieten hat, aber am Ende waren noch ein paar essentielle Fragen offen. Nicht "Cliffhanger" offen, sondern einfach nicht beantwortet. Spoiler in Fussnote [8].

Und eine Anmerkung zum Multiplayer - das andere Spieler in mein Spiel einbrechen können ist cool. Da ich aber mit dem Controller gespielt habe, war ich leider immer etwas gehandicapt, weswegen ich meine eigenen Invasionen auf KI umgestellt habe. Aber wenn ich selber eine Invasion gestartet habe (leider mit langen Wartezeiten) hatte ich Spass und selbst Failure wird durch das Spiel mit Punkten belohnt. "Du hast 20 Minuten überlebt, weil der andere Spieler sich versteckt oder dich ignoriert hat? Hier, Punkte und ein Skin für dich. Durch eine Granate getötet? Schade, hier Punkte für dich, have fun!".

Also alles in allem - ich mochte Deathloop. Sogar sehr, das Gameplay und Storykonstrukt hat mich sehr gefesselt und war eine der besten Storydriven Singleplayer (FPS) Erfahrungen seit Bioshock Infinite für mich.

Und ja, es ist furchbar unfair die beiden Titel zu vergleichen. Es ist klar dass ein AAA Titel eines renommierten Studios eine kleine Indieproduktion wegfegt. Aber ich fand interessant wie beide Teile sich mit ähnlichen Problemen beschäftigt haben. Und beide waren auf ihre Art und Weise eine Erfahrung.


  1. Bioshock und Prey haben das aufgegriffen und den Levelreset gleich entfernt und jeden bereits besiegten Gegner gleich komplett totgelassen, da der Protaganist einfach "neu erschaffen" wird. Liebe Videospiel Bad Boys, hier ein Lifehack: Solltet ihr in einem Dormammus Dilemma sein, baut doch erstmal alle VitaChamber ähnliche Dinge ab. ↩︎

  2. Oder "Live, Die, Repeat". Oder "Edge of Tomorrow: Live Die Repeat". Oder "All you need is kill". Ehrlich, wie heisst der Film jetzt eigentlich? ↩︎

  3. Ausserdem gibt es gleich 2 geheime Enden, die nach dem Abspann noch freigeschaltet werden können. Was sehr schade ist, denn ohne diese fühlt sich das Spiel nicht komplett an. ↩︎

  4. Und dass ist furchtbar inkonsistent. Weigert sich die Hauptfigur in den ersten Loops nachvollziehbar seiner Frau etwas anzutun [4], hat er später kein Problem damit mit dem Messer auf sie einzustechen, einfach so. Ohne neues Wissen. Und dabei wollte ich ihr nur das Messer geben, weil ich ihr vorher auch eine Menge an Gegenständen für eine andere Situation gegeben habe. ↩︎

  5. Psychoshock wäre sogar ein besserer Name gewesen, aber warum es Prey heisst ist ein ganz andere Geschichte. ↩︎

  6. Ganz unpassender Vergleich: Day of the Tentacle. Erinnert ihr euch daran wie wir im Jahr 1776 den Entwurf der amerikanische Flagge durch ein Tentakelkostüm ausgetauscht haben, nur damit wir in der entfernten Zukunft einen Schönheitswettbewerb gewinnen können? Genau sowas machen wir im Spiel. Bloss vielleicht weniger lustig. ↩︎

  7. Und ich bin jemand der in Skyrim immer wieder "neue Sachen" ausprobieren will, dann aber doch Sneaky Stealth Archer werde. ↩︎

  8. Wer "schreibt" die Nachrichten? Wieso soll der Loop gebrochen werden? Wie kommen die anderen, alternativen Protagonisten in unsere Welt? Wieso tragen die Eternalisten alle Masken?Warum erinnern sich nur Juliette und Colt an die die Loops, aber nicht die Schlüsselfiguren? ↩︎