Als ich ca 10 oder 11 Jahre alt war, habe ich zu Weihnachten das Buch "Brennen muss Salem" von Stephen King bekommen. Natürlich kannte ich den Namen Stephen King, war er doch der Autor all' dieser Filme die ich alle nie sehen durfte. Und der deutsche Titel Brennen muss Salem zusammen mit der Erwähnung von Vampiren im Klappentext. Das Versprach (meinen prä-pubertierenden Ich) doch schon eine brachiale Action [1]. Oh Boy, lag ich da falsch. Was ich bekam war die Beschreibung einer amerikanischen Kleinstadt in den 70ern, die halt zufällig ein Vampirproblem hatte. Die tauchen (zumindest in meiner Erinnerung) auch nicht vor der Mitte auf. Wichtiger war die Geschichte des Milchmanns, die Probleme des Priesters oder die Vorgeschichte des Marston Hauses.
Am zweiten Weihnachtstag hatte ich das Buch (immerhin knapp 600 Seiten) dann auch direkt durch, und ich erinnere mich, dass ich es in den folgenden Jahren noch mindestens zwei weitere Male gelesen habe.

In den folgenden Jahren habe ich noch viele weitere King Bücher gelesen. Viele davon waren durchwachsen bis hin zu "grober Unfug", aber trotzdem, eines kann King. Kleinstädte und Gemeinschaften zum Leben zu erwecken [2].

Irgendwann wurde der Name Stephen King ein Meme, ein Autor der nicht für höchstgradig komplexe Geschichten bekannt wurde, in einer Liga mit Dan Brown. Man wird meist unterhalten, aber irgendwie kommt es einen wie ein Guilty Pleasure vor, nichts womit auf Partys flexen konnte. Ich selber bin dann schlussendlich auch aus King herausgewachsen. Ich las noch die Dark Tower Bücher, aber danach hatte ich auch einfach keine Lust mehr.

Stephen King - Der Anschlag

Ok, gut, das war meine Vorgeschichte zu Steven King [3] - und kommen wir nun zu dem aktuellen Buch. Der Anschlag - oder 11-22-63 wie es im Original heisst. Ein 1000 Seiten dickes Buch und ein ganz schöner Klotz in der Hand.

Grob umrissen geht es um den Lehrer Jake [4] der ein Portal in das Jahr 1959 findet und die Aufgabe bekommt die Vergangenheit zu verändern - in dem er den Anschlag auf den amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy verhindert.
Da das Portal - wie erwähnt - allerdings ins Jahr 1959 führt, der Anschlag aber erst vier Jahre später stattfindet ist der Protagonist nun gezwungen die Zeit in der Vergangenheit zu leben. Zusammen mit einem Back to the Future Sport Almanach macht er sich also auf um die Welt der 60er zu erkunden.

Nun was soll ich sagen - das Buch stand lange bei mir im Regal. Wie ich erwähnte hatte ich Vorurteile gegen King und es gab noch soviele andere Bücher. Als dieses Buch nun aber immer wieder in diversen Blogs und Videokolumnen erwähnt wird, musste ich es aber dann schlussendlich doch lesen - und was soll ich sagen - es hat Spass gemacht. Zum einen weil ich Zeitreisefilme/geschichten/bücher mag und King ein halbwegs funktionierendes, aber nicht überspezifisches Zeitreise Regelwerk nutzt (was genug Fragen offen lässt um weiter drüber nachzudenken) und weil wieder eine Gruppendynamik beschrieben wird. Da die Schauplätze immer wieder wechseln fallen die beschriebenen Personen durchaus kleiner aus, aber zum Ende hin kann ich sagen dass alle wichtigen Figuren ausgearbeitet waren.

Nur, und dass ist ein subjektives Nur - der Mittelteil [5] hat sich an manchen Stellen etwas gezogen:

(Achtung: Minimale Spoiler) Sicherlich ist für einen amerikanischen Leser die überdetaillierte Beschreibung des Attentäters inklusive Minutenprotokoll spannender als für einen europäische Leser. Es gab mehrere Abschnitte in den einfach nicht viel passiert. In der Tat fand ich fast den ganzen Observations-Teil mit Oswald so spannend wie Frühstücksfernsehen und die Geschichte nahm immer erst wieder Fahrt auf wenn es sich nicht um genau diesen drehte. Alles in allem hätte dieses Buch vermutlich nicht 1000 Seiten lang sein müssen, vermutlich hätten ein Fünftel des Buches auch fehlen können, es wäre immer noch eine gute Geschichte gewesen. Vielleicht sogar noch etwas besser.

Im Endeffekt - ich hatte viel Spass mit dem Lesen. Kurzweilig, halbwegs clever, genau dass was man von einem Dan Brown Stephen King erwartet und irgendwo in meiner Top 5 aller Stephen King Bücher [6]. Ich würde mich sogar trauen dieses Buch in der Öffentlichkeit zu lesen - und dass soll was heißen.


  1. hatte ich doch gerade erst From Dusk Till Dawn gesehen. Vampire waren awesome! Im Gegensatz zu heute wo diese nur noch etwas funkeln wenn sie zuhause in der Sonne stehen ↩︎

  2. Sei es die Stadt Salem's Lot, die grüne Meile, der Supermarkt im Nebel. Ich würde sogar behaupten, dass King ein ganz guter Autor ist... solange er keine "Horror" Bücher schreibt. Aber da sind andere Leute vermutlich anderer Meinung. ↩︎

  3. War sie nötig um diesen Text zu lesen? Nein. Ganz sicher nicht, aber gibt diesem Text doch einen persönlichen Touch, nicht? ↩︎

  4. Neben Kleinstädten ist das auch so ein Stephen King Trope - der Protagonist ist oft ein Intellektueller, King projiziert sich oft scheinbar selber in seine Figuren ↩︎

  5. Das Wort Mittelteil bei 1000+ Seiten hat natürlich ein anderes Gewicht. Genauer war es eher der mittlere mittlere mittlere Teil. ↩︎

  6. Ungeranked sind die anderen Bücher das eingangs erwähnte Salem's Lot, Frühling Sommer Herbst und Tod (Kurzgeschichten Sammlung, welche u.a. Shawshank Redemption enthält, The Stand (wird vermutlich dazu bald mal einen Re-Read geben) und The Green Mile. Und auch erwähnenswert: Die Kurzgeschichte Der Nebel (enthalten in der Kurzgeschichtensammlung Blut (Skeleton Crew), vielleicht sein einzig gutes Horrorbuch. ↩︎